Main image for post Arbeitsmärkte rund um die Welt: UK und Irland

Wichtige Erkenntnisse:

  • Der britische Arbeitsmarkt ist nicht mehr so angespannt wie noch 2022, aber weiterhin erstaunlich robust. Das gilt insbesondere angesichts der komplexen wirtschaftlichen Umstände.
  • Im UK erreichten Jobwechsel 2022 ein Rekordhoch. Hauptgründe hierfür waren die gute Arbeitsmarktlage für Arbeitnehmende und die steigenden Lebenshaltungskosten, die zusätzliche Anreize setzten, den Job zu wechseln. 
  • Trotz Befürchtungen aufgrund des hohen weltweiten Drucks auf den Tech-Sektor, freut sich Irland in 2023 über historisch niedrige Arbeitslosigkeit und eine Beschäftigungsquote auf Rekordniveau.

Vereinigtes Königreich (UK): Der Arbeitsmarkt wechselt innerhalb eines Jahres von angespannt zu locker

Die britische Wirtschaft hat massive Wachstumsprobleme. Selbst nach der jüngsten Überarbeitung der Daten durch das ONS (Office for National Statistics) ist das BIP weniger als 2 % größer als am Ende des Jahres 2019. Darüber hinaus stagniert das wirtschaftliche Wachstum seit einem Jahr, obwohl die Wirtschaft eine Rezession vermieden hat. Schlimmer noch, Expert*innen prognostizieren weitere zwei Jahre mit geringem Wachstum und erwarten, dass die britische Wirtschaft bis Ende dieses Jahres in eine Rezession fällt.

Doch trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen, war der britische Arbeitsmarkt im Jahr 2022 immer noch angespannt. Unseren eigenen Schätzungen zufolge überstieg die Nachfrage nach Arbeitskräften das Angebot an Arbeitskräften, als sich die Wirtschaft von den pandemiebedingten Lockdowns erholte. Tatsächlich stiegen die unbesetzten Stellen im Sommer 2022 auf ein Rekordhoch von 1,3 Millionen, was etwa eine halbe Million mehr offene Stellen als im Jahr 2019 bedeutet.

Während Recruiter*innen im letzten Jahr enorme Schwierigkeiten hatten, Personal zu finden, normalisiert sich der Arbeitsmarkt nun schnell. Die Zahl der offenen Stellen ist stark gesunken und liegt nun unter einer Million, ein Rückgang von mehr als 30%. Zwar liegt die Anzahl der offenen Stellen derzeit noch über dem Niveau vor der Pandemie, es wird jedoch erwartet, dass sie weiter zurückgehen wird.

Jobwechsel erreichten 2022 ebenfalls einen Rekordwert. Da der Pool verfügbarer Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt schrumpfte, stellten Recruiter*innen vermehrt Mitarbeiter*innenaus anderen Unternehmen ein. Und angesichts des angespannten Arbeitsmarktes und der Lebenshaltungskostenkrise im UK waren viele Arbeitnehmende mehr als bereit, ihren Arbeitsplatz für ein besseres Gehalt oder bessere Leistungen zu wechseln.

Unsere eigenen Untersuchungen zeigen, dass das Abwerben von Arbeitskräften in Zukunft zunehmen wird, da das Arbeitskräfteangebot in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften aufgrund der ungünstigen demografischen Entwicklung nicht mit der Nachfrage nach Arbeitskräften Schritt halten kann.

Auch wenn die Wirtschaft im letzten Jahr kaum gewachsen ist, hat sich der Arbeitsmarkt weiter ausgedehnt und den hawkishen Vorhersagen der Bank of England über steigende Arbeitslosenquoten getrotzt.

Der sehr angespannte Arbeitsmarkt im Jahr 2022 war das Ergebnis mehrerer Faktoren. Erstens führte der Brexit zu einem massiven negativen Angebotsschock. Es herrscht weiterhin Arbeitskräftemangel in vielen Blue-Collar-Jobs, wie der Gastronomie, Lagerhaltung und Lkw-Fahren, da das Angebot an EU-Arbeitskräften in diesen Branchen versiegt ist. Die Nettozuwanderung aus der EU ist seit 2019 negativ. Zweitens wirkte sich die Covid-Pandemie auch negativ auf die inländische Erwerbsbevölkerung aus, da viele Arbeitnehmer*innen nicht mehr erwerbstätig sind. Die Zahl der Personen, die langfristig aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbstätig sind, ist seit Beginn der Pandemie um 25 % gestiegen und liegt derzeit bei 2,6 Millionen Menschen. Drittens wurde die rasche wirtschaftliche Erholung in den Jahren 2021 und 2022 von einem vorübergehenden Einstellungsboom in der Technologie- und Finanzbranche begleitet.

Während die Nettozuwanderung aus Nicht-EU-Ländern im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreichte, hat sich die Zusammensetzung der Zuwanderer*innen stark verändert. Ein großer Teil der Einwanderer*innen, die derzeit ins Vereinigte Königreich kommen, sind entweder Studierende, Facharbeiter*innen oder deren Angehörige. Diese Zuwanderer*innen schaffen jedoch keine Abhilfe für die fehlenden Arbeitskräfte im Lebensmittel- und Gaststättengewerbe und in anderen praktischen Berufen. Der Arbeitskräftemangel in diesen Berufen bleibt also bestehen, da der Zustrom von Blue-Collar-Arbeiter*innen aus der EU gestoppt wurde.

Sinkende Beschäftigungszahlen?

Trotz des geringen Wirtschaftswachstums hat sich der britische Arbeitsmarkt in diesem Jahr gut gehalten, und die Zahl der Erwerbstätigen ist weiter gestiegen. Die jüngsten Daten zeigen jedoch einen Rückgang oder zumindest eine Stagnation – je nachdem, ob man die saisonbereinigten oder die nicht-saisonbereinigten Daten verwendet. 

Allerdings können diese Zahlen auch stark revidiert werden. So wurde der massive Rückgang der Beschäftigtenzahlen im April (ein Arbeitsplatzverlust von etwa 130.000) bei der Veröffentlichung der neuen Mai-Zahlen vollständig revidiert. Die neuen Daten zeigen nun, dass die Gesamtzahl der Beschäftigten im Mai um etwa 90.000 gestiegen ist, gefolgt von einem weiteren leichten Anstieg im Juni und Juli für einen neuen Höchststand von mehr als 30,2 Millionen.

Die Lage auf dem britischen Arbeitsmarkt hat sich jedoch seit einigen Monaten deutlich entspannt. Die Arbeitslosenquote ist seit letztem Sommer wieder gestiegen. Auch der Tech-Boom hat an Schwung verloren und ist sogar ins Gegenteil umgeschlagen, da viele große Technologieunternehmen mit Entlassungen begonnen haben. Generell führt die derzeitige wirtschaftliche Stagnation in den meisten Sektoren zu einer geringeren Nachfrage nach Arbeitskräften, wobei die Zahl der freien Stellen rasch abnimmt und die Zahl der Entlassungen steigt.

Was bedeutet das für Recruiter*innen?

Daten der Bank of England zeigen, wie schwierig es für Personalverantwortliche in den Jahren 2021 und 2022 war, Stellen zu besetzen. Aus den Daten von Totaljobs geht hervor, dass Unternehmen in diesem Zeitraum auch viel länger brauchten, um offene Stellen zu besetzen. Die durchschnittliche Zeit bis zur Einstellung stieg von etwa vier Wochen Ende 2021 auf fast sieben Wochen Anfang 2022, ist aber in diesem Jahr wieder gesunken.

Die Veränderungen des Arbeitsmarktes bieten für Recruiter*innen sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Im Vergleich zum angespannten Arbeitsmarkt des Jahres 2022 haben die Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung im letzten Jahr deutlich nachgelassen. Weiterhin steht der Arbeitsmarkt jedoch vor großen Herausforderungen, wie auch die britische Wirtschaft im Ganzen. Trotz wirtschaftlicher Unwägbarkeiten (z. B. der Immobilienmarkt, die hohe Inflation und das Lohnwachstum) gehen wir davon aus, dass der britische Arbeitsmarkt in naher Zukunft weiterhin eine relativ niedrige Arbeitslosenquote aufweisen wird; -wahrscheinlich 4 bis 5%. Demografische Veränderungen, Herausforderungen im Bereich der Arbeitsmigration und der wachsende globale Wettbewerb um Talente deuten darauf hin, dass sich der Markt wieder anspannen wird.

Recruiter*innen sollten die derzeitige Gelegenheit nutzen, um proaktiv Talentpipelines aufzubauen und Rekrutierungsprozesse zu optimieren. Indem wir flexibel bleiben und uns auf langfristige Talentstrategien konzentrieren, können wir auf einem Arbeitsmarkt in stetigem Wandel erfolgreich sein.

Irland: Wachstum setzt sich fort, da sich der Abschwung in der Tech-Branche umkehrt und der Bau boomt

Dublin ist als eines der wichtigsten europäischen IT- und Finanzzentren bekannt. Letztes Jahr wurde befürchtet, dass die Verlangsamung der Technologiekonjunktur in den USA auf Irland übergreifen und sich negativ auf die heimische Wirtschaft und den lokalen Arbeitsmarkt auswirken würde. Einige Wirtschaftswissenschaftler*innen warnten damals vor einer bevorstehenden irischen Rezession.

Es stellte sich heraus, dass diese Sorge unbegründet war. Die irische Wirtschaft wächst weiterhin schneller als die der meisten anderen europäischen Länder. Das von der Zentralbank bevorzugte Maß für die inländische Wirtschaftstätigkeit – die modifizierte Inlandsnachfrage - zeigt für das zweite Quartal 2023 einen Anstieg von etwa 2% gegenüber dem Vorjahr, wobei sich die positive Dynamik auch im dritten Quartal fortsetzt.

Der Grund, warum Wirtschaftswissenschaftler diese spezielle Messgröße für Irland verwenden, ist, dass die BIP-Statistiken des Landes notorisch unzuverlässig sind. Sie sind stark verzerrt durch die Gewinne, die internationale Unternehmen in Irland aufgrund der niedrigen Unternehmenssteuern verbuchen.

Die irische Arbeitslosenquote bleibt konstant auf einem niedrigen Stand von 4,1 %. Das letzte Mal, dass die irische Arbeitslosenquote über einen längeren Zeitraum so niedrig war, war vor der Finanzkrise von 2008.

Und die irische Beschäftigungsquote ist auf ein Rekordhoch von 74,2 % gestiegen - ein nie erreichter Wert. Die Beschäftigung im privaten Sektor ist in diesem Jahr weitergewachsen und liegt nun bei über 1,75 Millionen. Auch die Beschäftigung im Technologiesektor hat mit 110.000 ein Rekordhoch erreicht und liegt damit rund 50 % höher als im Jahr 2019.

Wie die nächste Grafik zeigt, erreichte die Beschäftigung im Technologiesektor im ersten Quartal 2021 einen Höchststand und ging dann im Jahr 2022 leicht zurück. Dieser Einbruch war jedoch geringfügig und vorübergehend. Das Beschäftigungswachstum im Technologiesektor hat in diesem Jahr wieder eingesetzt. Der irische Arbeitsmarkt ist von der Verlangsamung im Technologiesektor und den steigenden Zinssätzen in der Eurozone unberührt geblieben.

Auch der Bausektor in Irland nahm zu Beginn des Jahres Fahrt auf und wuchs im ersten Quartal 2023 um 12 %. Die Beschäftigung in diesem Sektor ist während der Pandemie weiter gestiegen. Sie hat gerade einen neuen Höchststand von fast 140.000 Beschäftigten erreicht und liegt nun rund 25 % höher als im Jahr 2018. Die Baubeginne für Wohneinheiten sind im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie leicht gestiegen. Auch das ist eine gute Nachricht, denn das Land leidet unter einer erheblichen Wohnungsknappheit.

Was bedeutet das für Recruiter*innen?

Die irische Wirtschaft ist von den Unruhen im globalen Technologiesektor im vergangenen Jahr verschont geblieben, und das Land übertrifft die meisten anderen europäischen Volkswirtschaften. Der irische Arbeitsmarkt ist derzeit sehr angespannt. Die Beschäftigungsquote hat ein neues Rekordhoch erreicht, und die Zahl der arbeitslosen Arbeitnehmer*innen ist zurückgegangen. Selbst die Verlangsamung im Technologiesektor erwies sich als vorübergehend. Nach einigen geringfügigen Arbeitsplatzverlusten nahm das Beschäftigungswachstum im Technologiesektor im Jahr 2023 wieder zu und erreichte im zweiten Quartal einen neuen Höchststand. Auch in anderen Bereichen, vor allem im Baugewerbe, nimmt die Beschäftigung weiter zu. Sollte es nicht zu einem größeren globalen Wirtschaftsabschwung kommen, ist in absehbarer Zukunft mit einer weiteren Anspannung auf dem irischen Arbeitsmarkt zu rechnen, da die Wirtschaft weiterhin stetig wächst.