Main image for post Jobanforderungen neu denken: Wie Degree Deflation Barrieren abbaut

Was ist Degree Deflation?

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der Absolvent*innen kontinuierlich gestiegen. 2022 hatten 41 % der 25- bis 64-Jährigen aller OECD-Länder einen tertiären Bildungsabschluss. Im Zuge der steigenden Zahl an Absolvent*innen erhöhten viele Unternehmen die Anforderungen für Positionen, die zuvor keinen Hochschulabschluss erforderten. Dieses Phänomen bezeichnet man als „Degree Inflation“.

In den westlichen Ländern zeichnet sich nun aber ein gegensätzlicher Trend ab, da immer mehr Unternehmen im Angesicht des zunehmenden Fachkräftemangels die Anforderungen an Hochschulabschlüsse heruntersetzen („Degree Deflation“). IBM verkündete, die Anforderungen an Bachelorabschlüsse für über die Hälfte ihrer Stellen in den USA fallen zu lassen. Im Frühling dieses Jahres gab der Gouverneur von Virginia bekannt, dass für fast 90 % der staatlichen Stellen kein Hochschulabschluss mehr verlangt werde. Erst vor zwei Wochen hat Walmart damit begonnen, Stellenausschreibungen zu überarbeiten: Um sich für eine Stelle zu qualifizieren, müssen Bewerber*innen entweder einen einschlägigen Hochschulabschluss vorweisen oder die erforderlichen Fähigkeiten durch frühere Erfahrungen oder Weiterbildungen nachweisen.

Dieser Wandel von Hochschulabschlüssen zu Fähigkeiten verbreitet sich immer weiter. Das Burning Glass Institute analysierte über 51 Millionen Stellenausschreibungen und fand einen Rückgang des Anteils an Hochschulabschlüssen von über 5 % in 46 % der Berufe mit mittlerem Qualifikationsniveau und 31 % der Berufe mit hohem Qualifikationsniveau.

Der Einfluss von Degree Deflation auf Jobsuchende und Arbeitgeber

Die Abschaffung überflüssiger Abschlussanforderungen in Stellenausschreibungen kann positive Auswirkungen haben – insbesondere für Personen, die aus finanziellen Gründen keinen Abschluss machen können. Degree Deflation könnte demnach ein System aufbrechen, in dem Karriereperspektiven immer noch vom Vermögen der Eltern abhängen und die soziale Mobilität erhöhen.

In einer kürzlich von The Stepstone Group durchgeführten Umfrage (The State of Recruitment and Automation (2023)) gaben 43 % der Personen ohne Hochschulabschluss an, unzufrieden mit den Möglichkeiten zu sein, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen an ihrem Arbeitsplatz einzusetzen. Degree Deflation kann Personen die Tür zu Positionen öffnen, die ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen. Vor allem sehr erfahrene Personen profitieren, die in Berufen gefangen sind, in denen ihre Fähigkeiten weitgehend ungenutzt bleiben.

Warum Arbeitgeber Anforderungen an Hochschulabschlüsse neu evaluieren sollten

Die Jobanforderungen herunterzusetzen, öffnet die Tür zu einem größeren und diverseren Talentpool mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungen.

Eine Stepstone Studie zu Future Skills und Future Learning hat gezeigt, wie wichtig es ist, Erfolg auf Grundlage relevanter Zukunftskompetenzen und nicht auf Grundlage traditioneller akademischer Abschlüsse zu definieren. Unternehmen, die solche Kompetenzen in den Vordergrund stellen, erzielten ein signifikant höheres Innovationsniveau und eine bessere Gesamtleistung.

Arbeitgeber sollten über die Grenzen der formalen Bildung hinausschauen, insbesondere in Bereichen wie dem Unternehmertum, wo persönliche Einstellung, Anpassungsfähigkeit und unternehmerisches Denken den Wert eines Hochschulabschlusses oft übertreffen.

Zusammenfassung

Der Trend, Anforderungen an Hochschulabschlüsse für bestimmte Positionen herabzusetzen, kann soziale Mobilität erhöhen und für mehr Chancengleichheit führen. Nur weil Unternehmen Jobanforderungen reevaluieren, heißt das jedoch nicht, dass diejenigen, die zuvor ausgeschlossen wurden, nun eine Chance bekommen. Hochschulabschlüsse sind für Unternehmen in der Regel ein guter Indikator, um die Kenntnisse einer Bewerberin oder eines Bewerbers schnell einschätzen zu können. Ohne diese Indikatoren müssen Unternehmen ihre Einstellungsprozesse völlig umstrukturieren und die für jedes Stellenprofil erforderlichen Fähigkeiten neu definieren. In Kombination mit einem flexiblen Weiterbildungsangebot profitieren Unternehmen letztendlich jedoch von einem breiteren und diverseren Talentpool.